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Wasserrettungsdienst

Warum in Leipziger Seen immer wieder Menschen sterben

Veröffentlicht: 31.07.2020
Autor: Josa Mania-Schlegel
Warum in Leipziger Seen immer wieder Menschen sterben
DLRG-Rettungsschwimmer Marten Pätzold (19) leitet seit Juni die neue Wache am Markkleeberger See. Quelle: Andre Kempner
Die neue Wasserrettungsstation am Strandbad Ost des Markkleeberger Sees Quelle: Andre Kempner
DLRG-Rettungsschwimmer bewachen den Badestrand im Strandbad am Markkleeberger See in Markkleeberg-Ost. Hier: Rettungsschwimmer Marten Pätzold Foto: Andre Kempner Quelle: Kempner
Eine Rettungsschwimmerin am Markkleeberger See simuliert für unseren Fotografen einen Einsatz und stürmt ins Wasser. Quelle: Andre Kempner

Unser Europameister im Rettungsschwimmen, Marten Pätzold, erklärt, warum an Leipziger Seen immer wieder tödliche Unfälle passieren. Und welches Verhalten von Badegästen ihm am meisten Sorgen macht.

„Die größte Gefahr sind die Buhnen“: Warum in Leipziger Seen immer wieder Menschen sterben

Hier der Beitrag der Leipziger Volkszeitung Teil 1 und Teil 2:

Markkleeberg: Der Markkleeberger See ist mit fast 60 Metern der tiefste See im Neuseenland. Doch man muss nicht weit rausschwimmen, um in Gefahr zu geraten: Letztes Jahr kamen hier innerhalb einer Woche zwei junge Nichtschwimmer (21 und 16 Jahre alt) nur wenige Meter vom Strand entfernt ums Leben. Die Stadt Markkleeberg reagierte und beauftragte die DLRG ab Juni 2020 damit, das Strandbad Ost zu bewachen. Der neue Wachführer Marten Pätzold stammt von hier, ist erst 19 Jahre alt, aber schon seit sechs Jahren als Rettungsschwimmer tätig. Wir haben ihn am Mittwochvormittag auf seiner Wache getroffen.

Herr Pätzold, es ist heute Vormittag recht windig am Markkleeberger See. Für Sie ein Grund beunruhigt zu sein?

Beunruhigt nicht. Wenn es stärker wird, können wir verschiedene Badeverbote aussprechen. Dann hissen wir die entsprechende Flagge.

Was für Flaggen können Sie hissen?

Wir haben eine Flagge, die Kindern das Baden verbietet. Dann gibt es noch die ganz rote, die ein generelles Badeverbot signalisiert.

„Wir übernehmen keine Aufsichtspflicht“

Was ist die größte Gefahr bei starkem Wind an einem See?

Es gibt zum Beispiel Leute, die sich auf einer Luftmatratze sonnen und plötzlich weit vom Ufer weggetrieben werden. Und das ohne, dass sie es bemerken.

Schwimmen Sie dann raus und retten die Person?

Das kommt ganz darauf an, wie sich die Person darauf verhält. Wenn sie bewusstlos ist, würden wir natürlich hinmachen. Wenn sie um Hilfe winken würde, auch. Wenn sie zu weit rausgetrieben wird, rufen wir die Feuerwehr. Die kommen dann mit einem Motorboot. Auf der Wache am Kulkwitzer See verfügen wir selbst über eines.

Und wenn sich jemand einfach nur sonnt und entspannt abtreiben lässt?

Dann haben wir keinen Grund aktiv zu werden. Baden ist grundsätzlich auf eigene Gefahr. Wir übernehmen hier keine Aufsichtspflicht für die Leute. Wir sind nur eine zusätzliche Kraft, die im Notfall aktiv wird. Und natürlich auch nur so lange die Wache besetzt ist: täglich von 10 bis 19 Uhr.

„An den Buhnen ist einer der Unfälle passiert“

Gibt es Eltern, die davon ausgehen, dass Sie nach ihren Kindern gucken?

Man sieht oft Kinder, die ohne Aufsicht herumschwimmen. Gestern ist ein Kind ohne Schwimmflügel bis zu der gelben Tonne da vorn geschwommen. Das ist etwa 20 Meter vom Strand entfernt, da ist es sieben Meter tief. Es waren keine Eltern in der Nähe. Da schlägt das Herz schon mal ein bisschen schneller.

Was müssen erwachsene Badegäste tun, um Ihnen Sorgen zu bereiten?

Die größte Gefahr sind die Buhnen, also die Holzpfähle, die bis tief ins Wasser reichen. Die Leute springen da gerne runter, auch Nichtschwimmer. Das Tückische ist, dass das Wasser hinter den Buhnen unterschiedlich tief ist. An der zweiten Buhne kann man noch stehen. Auf denen dahinter ist es wegen der Abbruchkante schon drei Meter tief. Dort ist auch einer der tödlichen Badeunfälle passiert.

Eine Ihrer Hauptaufgaben besteht also darin, Leute zu ermahnen, die auf die Buhnen steigen.

Ja, dafür haben wir das Megaphon. Und damit haben wir auch schon gut zu tun. Es gibt auch Leute, die hier grillen, das ist auch verboten. Die ermahnen wir dann auch.

Was ist, wenn jemand weit rausschwimmt?

Dann schwimmt der aus unserem Wachgebiet raus. Wir sind für den Strandbereich zuständig. Wenn jemand in der Mitte des Sees untergeht, haben wir aber kaum eine Chance, schnell genug da zu sein. Das wäre dann wieder ein Moment, in dem wir die Feuerwehr rufen.

„Wir achten auf Erschöpfungsanzeichen“

Weit rausschwimmen darf also prinzipiell jeder.

Natürlich. Es kann aber überall etwas passieren, dafür muss man nicht weit vom Ufer wegschwimmen. Natürlich gerät jemand, der aus unserem Wachgebiet rausschwimmt, nicht aus unseren Augen. Ich zähle immer wie viele Leute gerade rausschwimmen und wie viele wieder reingekommen sind. Das läuft bei mir automatisch mit. Und ich beobachte, ob jemand Erschöpfungsanzeichen zeigt.

Zum Beispiel?

Wenn der Kopf recht tief im Wasser hängt, kann das ein Anzeichen sein. Oder wenn jemand häufig die Schwimmart wechselt. Wenn jemand Brust schwimmt, dann wieder krault, sich dann vielleicht auf den Rücken dreht. Wenn man schwach wird, neigt man dazu, zu wechseln. In so einem Fall stellen wir langsam Einsatzbereitschaft her.

Das klingt, als wüssten sie schon vor der schwimmenden Person, dass es gleich gefährlich wird.

Darum geht es: den Badeunfall zu antizipieren.

„Selbstüberschätzung ist die größte Gefahr“

Was ist im Leipziger Neuseenland die größte Gefahr?

Vor allem Selbstüberschätzung. Es gibt Leute, die nehmen sich vor, einmal den gesamten See zu überqueren. Sie wissen aber gar nicht, ob sie dazu in der Lage sind. Manch einer merkt dann bei der Hälfte, dass ihm die Kräfte ausgehen. Dann wird es schlimm. Gerade bei Wellen wie heute, die einen zusätzlichen Widerstand bedeuten.

So soll auch der tödliche Badeunfall am Kulkwitzer See letzte Woche passiert sein: Zwei Schwimmer wollten den See überqueren und schafften es nicht.

Allerdings passierte dieser Unfall nicht in unserem Wachbereich. Sonst hätten wir mit dem Boot rausfahren können.

„Einmal war es sehr brenzlig“: Zweiter Teil des Interviews mit einem Rettungsschwimmer

Warum verwickeln Rettungsschwimmer Ertrinkende erst in ein Gespräch, bevor sie ihnen aus dem Wasser helfen? Und weshalb tragen Gerettete manchmal ein blaues Auge davon? Der zweite Teil unseres Interviews mit Marten Pätzold, dem Leiter der neuen Rettungswache am Markkleeberger See.

Im ersten Teil unseres Interviews mit dem Markkleeberger Rettungsschwimmer Marten Pätzold, sprachen wir über die Ursachen von Badeunfällen. Im zweiten Teil erzählt Pätzold, worauf es beim Retten ankommt. Und, wie es um seine Anerkennung unter den Strandbesuchern steht.

Die Stadt Markkleeberg hat die DLRG seit Juni 2020 damit beauftragt, das Strandbad Ost zu bewachen. DLRG-Rettungsschwimmer Pätzold stammt von hier, ist erst 19 Jahre alt, aber schon seit sechs Jahren als Rettungsschwimmer tätig. Vor seinem Einsatz am Markkleeberger See (mit fast 60 Metern der tiefste See im Leipziger Neuseenland) wachte er am Kulkwitzer See über Badegäste.

Herr Pätzold, zuletzt haben wir besprochen wie gefährlich es sein kann, einen See zu überqueren. Was wäre Ihr Rat, wenn einem auf halber Strecke die Kraft ausgeht?

Nicht in Panik geraten. Wenn es nicht mehr geht, kann man um Hilfe rufen und mit langsamen Bewegungen über Wasser bleiben. Besser ist es aber, ich komme gar nicht in diese Situation. Anstatt den See zu überqueren würde ich raten, die selbe Strecke parallel zum Ufer zu schwimmen. Wenn ich das ein paar Mal problemlos schaffe, kann man schon mal einen See überqueren.

„Wir können niemandem das Schwimmen verbieten“

Was für eine Rolle spielt eigentlich Alkohol am Badesee?

Man sieht schnell, wer in erster Linie zum Trinken hergekommen ist. Wenn der dann ins Wasser geht, schauen wir noch mal genauer hin. Wir können aber niemandem das Schwimmen verbieten.

Mussten Sie schon einmal jemanden vor dem Ertrinken retten?

Zum Glück noch nicht wirklich. Einmal war es sehr brenzlig, das war das typische „Ditschen“. Ein paar Jungs, die am Anfang noch Spiel und Spaß machen und irgendwann nicht mehr. Einer hatte dann Wasser inhaliert, die Freund hatten ihn schon ins bauchtiefe Wasser gezogen. Das war das einzige Mal, dass ich wirklich ins Wasser rennen musste. Die meisten Unfälle passieren aber an unbewachten Badestellen. Am Ende ist ein See aber auch kein brandgefährlicher Ort.

Sie waren diesen Sommer auch an der Ostsee im Einsatz…

… dort hat man aufgrund der Strömung und der Brandung deutlich mehr zu tun. Jeder hat es schon einmal erlebt wie eine Welle, die praktisch zurück ins Meer will und seitlich abfließt. Dabei kann es einem recht schnell die Füße wegziehen. Und wenn man dann stürzt, kann es einen unter der Wasseroberfläche in die Buhnen drücken.

Man wird bewusstlos und ertrinkt?

Es ist eher so, dass man nicht mehr aufstehen kann. Die Strömung hält einen unten, auch bei vollem Bewusstsein. Irgendwann setzt der Atemreflex ein, es gelangt Wasser in die Lunge, dann wird es gefährlich. Erst gestern mussten die Kollegen der Ostsee-Wache, an der ich war, fünf Rettungen durchführen. Heute haben sie wegen der Strömung ein generelles Badeverbot ausgesprochen.

Wie rettet man eigentlich jemanden vor dem Ertrinken?

Das Wichtigste ist, dass man nicht alleine losschwimmt, sondern mit einem auftreibenden Gegenstand. Jemand der untergeht hat wahnsinnige Panik und klammert sich an allem fest. Im Zweifel an der Person, die sie retten will. Ertrinkende haben so eine Kraft, man wird die dann nicht mehr los. So kommt man unter Umständen selbst in Gefahr. Deshalb hält man das Objekt hin. Und manchmal hilft auch ein kleiner Schlag mit dem Objekt.

Wie bitte?

Manchmal kriegt man nur so den nötigen Abstand rein, wenn sich der Ertrinkende an einem festklammert. Man muss ja auch sich selbst schützen. Ich sage mal: Lieber habe ich ein blaues Auge, als dass ich ertrinke. Wenn sich die Person dann erstmal festhält und über Wasser bleibt, kann man ins Gespräch kommen.

„Wir werden in Zukunft härter durchgreifen“

Sie reden mit Ertrinkenden?

Natürlich. Wer Panik hat, der hat auch genug Kraft, sich festzuhalten. Dann sage ich der Person, dass sie runterkommen soll. Ich sage wer ich bin und dass ich hier bin, um zu helfen. Da kann man schon mal fünf Minuten mit Reden beschäftigt sein. Erst wenn sich die Person beruhigt hat, kann sie auch sicher an Land gebracht werden. Eine bewusstlose Person wird natürlich direkt im Schleppgriff gerettet.

Wie steht es um Ihre Akzeptanz am Strand des Markkleeberger Sees?

Wir können die Leute ermahnen. Viele scheinen aber nicht akzeptieren zu wollen, dass wir hier Wache halten. Man hat viel mit Beleidigungen zu kämpfen und mit Widerstand. Neulich hatten wir einen sehr warmen Sonntag, an dem es wirklich viel Ärger gab.

Erzählen Sie.

Es war irre voll, es wurde gegrillt. Und immer wieder stiegen die selben Leute auf die Buhnen. Die haben uns zum Teil nachgeäfft. Und am nächsten Morgen war dann unsere Wache aufgebrochen. Wir werden in Zukunft härter durchgreifen. Ich werde, wenn nötig, von meinem Hausrecht Gebrauch machen.

„RUN-TER VON DEN BUH-NEN!“

Was können Sie tun?

Ich kann einen Platzverweis aussprechen und diesen auch mithilfe der Polizei durchsetzen. Bis jetzt hat hier niemand Hausverbot. Aber es gibt einige Kandidaten, die immer wieder kommen und Ärger machen. Bei denen gelten wir als Spielverderber. Es gibt aber genau so viele, die kommen und sich bei uns bedanken.

Sie machen das alles ehrenamtlich. Warum tun Sie sich diesen Stress an?

Im Prinzip finde ich es recht entspannt, den Sommer am See zu verbringen.

Am Ende unseres Gesprächs vergehen einige Minuten, bis tatsächlich ein Badegast auf die Buhnen steigt. Holzpfahl für Holzpfahl läuft er in den See hinein. Pätzold greift zu seinem Megaphon. „Runter von den Buhnen. RUN-TER VON DEN BUH-NEN!“ Der Badegast dreht sich zu ihm – und wieder in Richtung See. Dann läuft er weiter. Mit einem Kopfsprung verschwindet er im Wasser. Rettungsschwimmer Marten Pätzold steht von seinem Stuhl auf und läuft einige Meter nach rechts, wo er am Ufer den heranschwimmenden Badegast erwartet.

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